An verschiedenen Stellen wurde nach ausführlicheren Erklärungen gerufen, die wollen wir nun geben. Wir sind bei unserer ersten Stellungnahme ja doch recht oberflächlich geblieben, stellen uns aber natürlich gerne auch der fachlichen Diskussion in der Tiefe.

Uns ist absolut klar, dass es sich um ein hoch emotionales Thema handelt, bei dem Wünsche nach einer erfolgreichen Zukunft genauso eine Rolle spielen wie die Ängste vor einem Absturz in die Bedeutungslosigkeit. Das trifft auf uns alle zu und darf auch nie aus den Augen verloren werden. Trotzdem müssen bei aller Emotionalität vor allem auch Fakten und Inhalte bei einer solchen Entscheidung berücksichtigt werden. Deshalb haben wir uns dazu entschieden, die bereits viel diskutierten Änderungsanträge zu den Tochtergesellschaften noch einmal intensiver zu erläutern.

Wir haben aus den bisherigen Diskussionen und Beiträgen ein paar Punkte schwerpunktmäßig herausgelesen, auf die wir nun gerne eingehen möchten.

1. Vermeintliche Sperrminorität

Insbesondere im MSV-Portal, aber auch in direkten Gesprächen sehen wir uns immer wieder mit der Sorge konfrontiert, durch die erforderliche ¾-Mehrheit würde eine sogenannte Sperrminorität geschaffen – also eine Situation, in der eine Minderheit den Willen der großen Mehrheit sperrt.
Dazu möchten wir zuallererst festhalten: auch wenn es (vor allem im Portal) oft behauptet wurde; „Es lebe der Verein“ (eldV) ist eine Initiative, die AUCH Ultragruppen einschließt, aber definitiv nicht ausschließlich. Ein Blick auf die Liste der unterstützenden Gruppen reicht für diese Erkenntnis bereits aus. Da tummelt sich ein Großteil dessen, was in den vergangenen 20 Jahren an aktiver Fan- und Vereinsarbeit beteiligt war. Die befürchteten Szenarien von wegen „die Ultras nehmen uns undercover die Entscheidungsmacht weg“ sind also nicht nur ein wenig polemisch, sondern einfach falsch und für unseren Geschmack auch ein wenig respektlos den zahlreichen Gruppen gegenüber, die die Initiative aus inhaltlicher Überzeugung unterstützen bzw. in ihr mitarbeiten, aber mit der Ultraszene bis auf nette Kontakte nichts zu tun haben. Die brauchen definitiv allesamt keine Ultras, um eine eigene Meinung zu bilden und diese zu äußern! Aber das nur am Rande.

Genau aus diesem Grund gehen auch Fragen an uns wie „Gibt es überhaupt ein Szenario, in dem für einen Investoreneinstieg gestimmt werden würde“, völlig am Thema vorbei. Die Initiative und auch die Anträge der Satzungsänderung beschäftigen sich nämlich genau damit eben nicht. Es geht NICHT um ein konkretes Übernahmeszenario, bei dem über Pro und Kontra diskutiert und dann im Sinne des Vereinswohls entschieden wird, sondern es geht allein um die Frage, welchen Stellenwert diese Entscheidung im Kontext der Satzung des e.V. haben soll.

Wir sagen: Ein Anteilsverkauf ist eine folgenschwere Entscheidung, die weit über das „normale“ EntscheidungsgeschäE der Mitgliederversammlung (MV) hinausgeht. Deshalb wollen wir dafür eine ¾ Mehrheit, gleichgestellt mit einer Satzungsänderung. Sieht man dies ernsthaft als eine Art „präventive Entmachtung“ der MV, müsste man tatsächlich alle größeren Mehrheitshürden für Entscheidungen von besonderem Interesse grundsätzlich infrage stellen; auch die für Satzungsänderungen.

Über die Frage der Höhe der erforderlichen Mehrheit lässt sich sicherlich trefflich streiten. Wir haben uns in unserem Antrag aus den genannten Gründen für die ¾ Hürde entscheiden und halten das angesichts der möglichen Konsequenzen eines Anteilsverkaufs – insbesondere mit Blick auf die Verwaltungsgesellschaft mbH – auch für absolut angebracht.

Nur auf diesen Inhalt hat sich die Initiative geeinigt und eine gemeinsame Stimme gefunden. Über alle anderen konkreten Fragen (und dazu gehören eben auch konkrete Übernahmeszenarien) wird es im Fall der Fälle neue Diskussionen geben, weil es dazu in der Initiative und auch in den beteiligten Gruppen ganz unterschiedliche Haltungen gibt. Die Frage nach einem Übernahmeszenario, bei dem „wir“ zustimmen würden, geht deshalb in unseren Augen am Thema vorbei, weil sie mit der eigentlichen Thematik der Satzungsänderung nichts zu tun hat und der suggerierte Konsens dazu in der Initiative nicht existiert. Diese Frage war und ist kein Inhalt unserer gemeinsamen Arbeit; hier werden schlicht Ebenen miteinander vermischt, die getrennt gehören.

Insbesondere die Reaktionen aus den Reihen der Gruppen von eldV auf den Einstieg von Capelli und auch den erneuten Anteilsverkauf vor einigen Monaten spricht übrigens massiv gegen den Vorwurf, einige der beteiligten Gruppen würden sich wirtschaftlichen Realitäten verschließen. Negative Verlautbarungen gab es nämlich NICHT. Und auch die Statements von eldV hafen allesamt den Tenor: Es ging nicht anders, es war offensichtlich die richtige Entscheidung.

Unterm Strich möchten wir sagen: Die Sperrminorität ist in unseren Augen ein Schreckgespenst. Es geht bei unserem Antrag, wie auch in allen bisherigen Interviews und Statements, nicht um eine generelle Ablehnung von Investoren, sondern um zwei konkrete Fragen:

Welchen Wert misst die MV der Entscheidung zu, ob und in welchem Maße die Entscheidungsmacht an unserem Profispielbetrieb an externe Investoren verkauft werden? Und ist es nicht paradox, über teils lapidare Änderungen der Vereinssatzung (z.B. redakIonelle Anpassungen) mit einer ¾-Mehrheit entscheiden zu müssen, während für die Entscheidung über einen möglichen Verkauf der Entscheidungsgewalt über unseren Profibereich mit einfacher Mehrheit entscheiden werden kann?

2. e.V.; KGaA; GmbH und 50+1 – wer darf was bestimmen.

An vielen Stellen wurde bereits ausgiebig über die Auswirkungen von Anteilsverkäufen und die Machtverteilung in den bestehenden Verhältnissen diskutiert. Wir haben das Gefühl, dass in der Debatte noch immer einige Ungenauigkeiten und Halbwahrheiten umschwirren – was angesichts des komplizierten Themas auch absolut normal ist.

Wir möchten deshalb noch mal aufklären, was genau es mit dem ganzen Konstrukt auf sich hat.

Dazu muss man zunächst verstehen, wie unser Verein organisiert ist:
Der e.V. ist die Basis des Ganzen, der sogenannte Mutterverein. Dieser Mutterverein hat seine Profis in ein Unternehmen ausgegliedert, die MSV Duisburg GmbH & Co. KGaAIn diesem Unternehmen werden der gesamte Spielbetrieb und die wirtschaftlichen Faktoren des Profisports geregelt. Es handelt sich dabei um eine besondere Form der Aktiengesellschaft; es können also Anteile daran gekauft werden, die gleichbedeutend sind mit Stimmrecht in entsprechender Höhe auf der Hauptversammlung der KGaA (ähnlich wie die Mitgliederversammlung im e.V.).

Nun ist es das Interesse des e.V. (und zudem Lizenzvorgabe von DFL und DFB), dass man als Mutterverein nicht die Entscheidungsmehrheit in seinem Profiunternehmen verliert. Unter anderem deshalb hat der e.V. eine zweite Tochtergesellschaft gegründet; die MSV Duisburg Verwaltungsgesellschaft mbH. Diese ist die sogenannte „persönlich haftende Gesellschafterin“ in dem Profiunternehmen (= KGaA; s. oben). Mit dieser Position kann sie unabhängig von den Mehrheitsverhältnissen in der KGaA frei über die Geschäftsführung und das tägliche Geschäft der Profis entscheiden. Sie ist quasi als Kontrollpunkt zwischen e.V. und Profiunternehmen zwischengeschaltet. Wer die Macht über diesen Kontrollpunkt (= Verwaltungsgesellschaft mbH) hat, kann das Profitunternehmen (= KGaA) steuern.

Beim MSV Duisburg sieht es aktuell wie folgt aus:
Der e.V. hält noch 59,9 % der Anteile an der ProfigesellschaE (=GmbH & Co. KGaA); die übrigen 40,1 % Prozent hat er an Capelli verkauft.

Aber: Dem e.V. gehören nach wie vor 100 % an der Verwaltungsgesellschaft (=Kontrollpunkt; s.o.). Solange er diese Anteile hat, kann der e.V. die Führung des operativen Geschäfts beanspruchen. Auch dann, wenn er mehr als 50 % der Anteile der Profigesellschaft verkauft hat.

Die 50+1 Regel von DFB und DFL sagt nun aus, dass der e.V. immer die Kontrolle über die Geschäftsführung seiner Profigesellschaft haben muss. In unserem Fall ist das dadurch gegeben, dass der e.V. zu 100 % die Verwaltungsgesellschaft kontrolliert, die ja alleinig zur Geschäftsführung in der GmbH & Co. KGaA berechtigt ist (s. oben).
Nach der aktuellen Lizenzvorgabe von DFB und DFL ist es dem MSV verboten, Anteile an der Verwaltungsgesellschaft zu verkaufen; die KGaA dürfte er jedoch zu 100 % an Investoren veräußern.

Die 50+1-Regel steht allerdings seit Jahren auf der Kippe. Sollte sie fallen, wäre sie keine Lizenzvorgabe für den Spielbetrieb mehr und damit nicht mehr bindend für unseren Verein. In diesem Fall wäre der Verkauf der Verwaltungsgesellschaft ohne Probleme möglich.

Schaut man sich die Auswirkungen eines Verkaufs der Verwaltungsgesellschaft an, ist völlig klar: wird hier eine Mehrheit der Anteile an einen Investor verkauft, verliert unser Verein (der e.V.) die Kontrolle über seine Profis. Der e.V. wäre damit endgültig eine leere Hülle, die so gut wie keinen Einfluss mehr nehmen könnte. Wieso also gerade in Bezug auf die Verwaltungsgesellschaft hohe Hürden extrem wichtig sind, ist somit eigentlich selbsterklärend.

Eine ¾-Mehrheit durch die MV ist deshalb bei der Frage „Verkauf ja/nein“ absolut erforderlich.

Mit Blick auf die GmbH & Co. KGaA könnte man nun aber meinen: „Die Investoren in der KGaA haben eh nichts zu melden. Also lasst uns doch zur Not auch 100 % an der Profigesellschaft verkaufen! Und 50+1 schützt uns aktuell vor einer „feindlichen“ Übernahme. Solange wir die Verwaltungsgesellschaft nicht verkaufen, ist doch alles gut.“

Diese oft gehörten Aussagen stimmen zwar in Ansätzen, lassen aber wichtige Punkte außer Acht. Wir sehen vor allem zwei ganz große „Aber“:

Aber Nr. 1: Auch ohne das Recht auf Geschäftsführung in der KGaA hat der Investor Einfluss

Sowohl die gesetzlichen Regelungen als auch die Lizenzvorgabe von DFB/DFL beziehen sich nur auf das operative Geschäft, nicht aber auf strukturelle Mitspracherechte. Bereits jetzt hat sich mit Capelli Macht in der KGaA eingekauft, insbesondere in zwei Punkten:

  • Die Satzung der KGaA (Gesellschaftervertrag) kann nur mit einer ¾-Mehrheit der Hauptversammlung, also aller Anteilseigner, geändert werden. Capelli hält bereits 40,1 %, könnte also zukünftige Änderungswünsche dauerhaft blockieren. Dazu zählt unter anderem auch für eine weitere Erhöhung bzw. Herabsetzung des Grundkapitals.
  • Unabhängig von den rechtlichen Befugnissen zeigt die Erfahrung an etlichen Standorten, dass mit dem Einstieg eines starken Investors eine Abhängigkeit einhergeht. Wer (große) Teile der Kapelle bezahlt, will auch die Musik bestimmen und fordert das mal mehr, mal weniger öffentlich ein. Da sich ein Verein mit dem Anteilsverkauf langfristig an den jeweiligen Investor als Partner bindet, gibt es meist kein großes Interesse an einer harten Konfrontation. Entsprechend kompromissbereit zeigten sich Vereine in der Vergangenheit. Insbesondere dann, wenn ein Investor gleichzeitig auch Darlehensgeber ist, bekommt er eine unglaublich starke Verhandlungsposition; auch wenn sie die „rechtlich“ eigentlich nicht häfen.

Aber Nr. 2: wenn 50+1 fällt, sind Tür und Tor offen – auch ohne Verkauf der Verwaltungsgesellschaft

Aktuell verhindert die 50+1-Regel, dass Investoren sich die Kontrolle über die Geschäftsführung (bei uns die Verwaltungsgesellschaft mbH) erkaufen können. Außerdem verhindert die Regel, dass die Investoren der KGaA Befugnisse in der Geschäftsführung erhalten.
Zudem führen auch gesetzliche Regelungen abseits der Lizenzvorgaben von DFB/DFL dazu, dass die Anteilseigner der KGaA wenig direkten Einfluss auf die Geschäftsführung haben.
Aber: Die gesetzlichen Regelungen sind sogenanntes „dispositives Recht“. Das bedeutet: Die Gesellschaft kann sich völlig unproblematisch abweichende Regelungen in die Satzung schreiben, die vollständig wirksam sind.
Verkauft man nun beispielsweise 100 % der KGaA Anteile an einen Investor, schützten aktuell die 50+1-Regel und die vertragliche Ausgestaltung unserer Tochtergesellschaften vor einem Kontrollverlust des e.V.

Sollte aber 50+1 mal abgeschafft werden, könnte der Vorstand des e.V. über die Verwaltungsgesellschaft unproblematisch die Berechtigung zur Geschäftsführung per Satzungsänderung auf die Hauptversammlung der KGaA und damit auf den Investor übertragen. Dass zu derlei Schrifen wirtschaftlicher Druck oder aber ein entsprechend eingestellter Vorstand ausreichend sind, hat die Vergangenheit an etlichen Standorten gezeigt.
Die aktuelle Sicherheit der zwischengeschalteten Verwaltungsgesellschaft wäre damit faktisch ausgehebelt und die Kontrolle über die Geschäftsführung weg. Und zwar ohne dass die Mitglieder noch regulierenden Einfluss darauf hätten. Ein solcher Zustand wäre wohl unwiederbringlich hergestellt, da eine erneute Änderung der Satzung der KGaA nur über eine Mehrheit in der Hauptversammlung möglich wäre.

Zusammenfassend gesagt: Verliert der e.V. die Mehrheit in der Hauptversammlung in der KGaA ist ein Kontrollverlust über das operative Geschäft auch ohne Verkauf der Verwaltungsgesellschaft mbH absolut realistisch – sofern die 50+1-Regel fällt.

Das kann man natürlich in Kauf nehmen wollen. Man muss sich dessen aber definitiv bewusst sein. Und in jedem Fall sollte auch hierüber angesichts der potenziell schwerwiegenden Auswirkungen die Mitgliederversammlung des e.V. mit einer ¾-Mehrheit entscheiden, weil mit einem Verkauf ein potenzieller Machtverlust einhergeht. Dies mit einer einfachen Mehrheit entscheiden zu wollen, geht schlicht an der großen Tragweite der Entscheidung vorbei.

Als Fazit steht für uns:
Die Satzungsänderungen bezüglich der Tochtergesellschaften sind keine generelle Absage an Investoren und führen auch nicht zu einer Sperrung der Entscheidungsmacht der Mitgliederversammlung. Die Änderungen stärken vielmehr die Mitgliederversammlung und tragen der großen Tragweite der Entscheidungen Rechnung sowie den möglichen Konsequenzen, die sie haben können. Die Notwendigkeit für einen Investor, große Teile der MV mit seinem Konzept überzeugen zu müssen, trägt zudem dazu bei, dass im Sinne des Vereins im Falle des Falles langfristig und strategisch nachhaltige Zusammenarbeit eingefordert wird.
Unter dem Strich möchten wir deshalb alle Mitglieder aufrufen: Stimmt für die Satzungsänderung und stellt unseren Verein damit sicher und gleichzeitig zukunftsfähig auf.

Am 12.10.2021 – deine Stimme für die Satzungsänderung! Es lebe der Verein!